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Geist

Patina

Grün war die Welt noch einst
Da Licht dem Schatten überwog
Da Geist noch hoch und reinst
Geschöpfet war aus gold'nem Trog

Im weissen Garten legten nieder
Weise Männer ihrer Häupter Samen
An den Toren; und sie sangen Lieder
Die nur die Winde noch vernahmen

Wie die Jahrtausende verflossen...
Man hoffte, aus dem Samen werde
Wieder Licht. Zuletzt entsprossen
Faule Früchte nur der Erde

Heut' spriesst an Zäunen nur der Rost
Und vor den grossen schwarzen Toren
Trinken Männer bitt'ren Most
Den ihre Väter weiland goren

Auf Moos und Steinen schläft der Staub
Die Beete lang verlassen
Kein Geist kehrt mehr das Laub
Aus den hohlen Gassen
Am Bache hatte irgendwer
Die Bäume längst geschlagen
Im Moder, tief im Efeumeer
Erstickt ihr stilles Klagen

Droben in der Finsternis, in
Strahlen zerbrochener Laternen
Prangt die Inschrift aus Platin:
"Hier soll die Menschheit lernen."

Zuletzt schlug ein verhüllter Mann
Ein Bote wohl der letzten Stille
Dort eine zweite (hölzerne) Tafel an:
"Der Menschheit letzter Wille."

Hellwach in meinem Herzen klafft
Die Wunde stumpfer Schwerter
Ein Palimpsest von Urteilskraft
Ein Schatten von in sich gekehrter
Grau-melierter Weltensicht.

Etwas in mir spricht noch
Ein verhallt-verklungenes Gedicht
Und schliesst dann leis' die Augen.

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